Die Exponate sind auf 4 Bereiche verteilt
Sonderausstellung
Jakob Böhme
“Das Thema „Lebensgeschichte“ ist natürlich ein weites Feld. Und Böhme selbst hätte wohl nie eine eigene Biographie geschrieben, um sich in Wikipedia zu verewigen. So gibt es auch kein Bildnis von ihm, das zu seinen Lebzeiten entstanden wäre. Er war sich ja bewußt, das er nur ein Glied im Ganzen ist und daß dieses Ego mit seiner eigenwilligen Geschichte, darauf viele Menschen so stolz sind, nur eine kleine Welle auf einem ewigen grenzenlosen Meer ist. Trotzdem möchten wir hier versuchen, einige überlieferte Berichte zusammenzufassen, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, auch wenn wir uns bewußt sind, daß es nur eine Gradwanderung zwischen Mythos und Wahrheit ist. Aber so ist nun einmal unsere Welt…”
Kurzbiografie
Jacob Böhme wurde 1575 in Alt-Seidenberg bei Görlitz im heutigen Sachsen geboren, absolvierte eine Lehre als Schuhmacher, ließ sich nach seinen Wanderjahren 1599 in Görlitz nieder und heiratete. Seine Frau gebar ihm zwischen 1600 und 1611 vier Söhne. In dieser Zeit hatte er mindestens drei mystische Erfahrungen, die ihm offenbar tiefste Einblicke in das Wesen des Geistes eröffnet hatten. Dazu studierte er als Autodidakt die Bibel und vermutlich auch andere philosophische und alchimistische Werke seiner Zeit. Um 1612 schrieb er seine praktischen und visionären Erfahrungen zusammen mit dem Zweifel an der damaligen Kirchenlehre in seiner ersten berühmten Schrift nieder: »Aurora oder Morgenröte im Aufgang« Darin spricht er nicht als gelehrter Theoretiker, sondern aus praktischer Erfahrung von dem, was er selbst verwirklicht hatte:
„Ich brauche ihre Formeln und Künste nicht, zumal ich es von ihnen nicht gelernt habe, sondern ich habe einen anderen Lehrmeister, und der ist die ganze Natur. Von dieser ganzheitlichen Natur mit ihrer innerlichen (geistigen) Geburt habe ich meine Philosophie, Astrologie und Theologie studiert und gelernt, und nicht von Menschen oder durch Menschen.“ (Aurora, Kapitel 22)
Doch diese selbstverwirklichte Weisheit, die manchen stolzen Theologen überforderte, brachte ihm auch den Haß des Görlitzer Hauptpastors ein, einem Anhänger der lutherischen Orthodoxie. So wurde er mit einem Schreibverbot bestraft, das er fünf Jahre lang befolgte, und veröffentlichte erst ab 1619 weitere 21 tiefgründige und vielgelesene Schriften, darunter »Von den drei Prinzipien des Göttlichen Wesens« (1619), »Mysterium Magnum« (1623) und »Der Weg zu Christo« (1624).
„Lieber Leser, halte dies nicht für eine ungewisse Dichtung. Es ist der wahre Grund und enthält innerlich die ganze Heilige Schrift, denn das Buch des Lebens Jesu Christi ist darin klar vor Augen gezeichnet, wie es vom Autor selbst erkannt worden ist, denn es ist sein Prozeß (der Entwicklung) gewesen. Er gibt dir das Beste, was er hat, und Gott gebe das Gedeihen!“ (Der Weg zu Christo: Von wahrer Buße §52)
Dann wurde er 1624 nach Dresden an den Hof des Kurfürsten eingeladen, wo er mehrere Wochen gut aufgenommen wurde und viele Gespräche mit hochrangigen Würdenträgern führte. Im Herbst des gleichen Jahres erkrankte Böhme schwer, und noch im Sterben traf ihn der Haß der örtlichen Kirchenführung, so daß er darum kämpfen mußte, überhaupt ein christliches Begräbnis zu bekommen. Nur mit Mühe wurde ihm das heilige Abendmahl von einem Hilfspfarrer zugestanden. Einige Stunden vor seinem Ende hörte er des Nachts himmlische Musik und bat seinen Sohn, die Tür zu öffnen, um sie besser hören zu können. Dann befahl er seine Seele dem rettenden Gott und barmherzigen Herrn Jesus Christus, segnete Frau und Kinder und sprach in früher Morgenstunde des 17. November 1624: „Nun fahre ich hin ins Paradies.“ Danach verschied er laut eines glaubwürdigen Berichts mit glücklichem Gesicht sanft und selig. (Text: pushpak.de)
Wir bedanken uns beim Team von pushpak.de für die großartige Arbeit, mit der sie die Schriften Jakob Böhmes und die historischen Lebensberichte für alle zugänglich gemacht haben, sowie für die Erlaubnis, dieses Material für unsere Ausstellung zu verwenden.
Vor 100 Jahren, anlässlich des 300. Todestages von Jakob Böhme, gab die Stadt Görlitz eine Gedenkschrift und einen Bildband heraus. Zentraler Bestandteil war der Aufsatz “Die Lebensumstände Jakob Böhmens” von dem Historiker Richard Jecht, Professor an einem Gymnasium in Görlitz, der damit “die erste Biographie Böhmes veröffentlichte, die ohne Legenden und Wunderzeichen auskommt und von der ersten bis zur letzten Seite nur Fakten verarbeitet.” (*)
Das digitalisierte Werk stellt die Universitätsbibliothek Breslau bereit, ebenso den sehenswerten Bildband “Jakob Böhme und Görlitz. Ein Bildwerk”.
Eine überarbeitete Textfassung gibt es auf pushpak.de
Wir geben hier einige interessante Auszüge wieder.
Jakob Böhme ist im Dorf Alt-Seidenberg, gelegen bei dem Städtchen Seidenberg, dicht an der böhmischen Grenze, 1575 geboren. Den Geburtstag wissen wir nicht, doch es wird bei seinem Tod Mitte November 1624 glaubhaft berichtet, daß sich sein ganzes Alter in die 49 Jahre erstreckte, instehende im 50. Demnach fällt sein Geburtstag in die ersten 10½ Monate des Jahres.
Alle Quellen, auch die seiner Gegner, mit Ausnahme des böswilligen Gregor Richter, stimmen darin überein, daß unser Böhme äußerlich ein eingezogenes, nüchternes, mäßiges und von der Weltlust ganz entferntes Leben führte. Er war ein fleißiger Kirchengänger und aufmerksamer Zuhörer der Predigt. In seiner Innung war er eifrig tätig und vertrat ihren Vorteil.
Als unser Böhme 1610 sein neues Haus bezog, arbeitete er noch fleißig in seinem Handwerk und war noch ein eifriges Mitglied seiner Innung. Da aber begann er mit Anbruch des Jahres 1612 seine „Morgenröte im Aufgang“ niederzuschreiben. Natürlich wurde dadurch nach und nach seine Zeit für seine Schusterarbeit knapp, und sein innerer Trieb zu seinen philosophischen Gedanken überwog so, daß er des Handwerks, das ihn zu mechanischer Arbeit auf den Schustersessel zwang, unlustig wurde. Er ließ es schließlich ganz liegen, um Gott und den Brüdern in diesem (neuen) Berufe zu dienen. […] Um nun für sich und die Seinigen die immer mehr wachsenden Kosten für den Lebensunterhalt bestreiten zu können, verlegte sich Jakob Böhme zugleich mit seiner Frau auf den Handel. Zunächst Handel mit Garn, wie wir oben sahen. Der warf damals, da die Leinenweberei und der Leinwandhandel in Blüte stand, jedenfalls ein gut Stück Geld ab. Ferner wird erzählt, daß er wollene Handschuhe bei den Bauersleuten eingekauft und sie dann weiterverkauft habe. So sei er jährlich einmal nach Prag mit dieser Ware gezogen.
Sonntags darauf habe Richter den Schuster heftig auf der Kanzel einen aufrührerischen und unruhigen, leichtfertigen Mann und Ketzer gescholten und den Magistrat vor der Gemeinde gegen ihn ermahnt, der die Prediger beunruhige, sie in ihren Häusern Überlaufe und Ketzerbücher schreibe, auf daß Gott nicht Ursache habe, über die Stadt zu zürnen und sie von der Erde verschlingen ließe. Nachdem die Kirchenbesucher sich verlaufen, habe Jakob Böhme den Aufgeregten auf dem Kirchhofe sänftiglich angeredet und ihn gefragt, was er ihm zu leide getan habe. Da habe der Priester im Beisein eines zweiten Geistlichen gegeifert und gerufen: „Hebe Dich, weg, Satan, in den Abgrund der Hölle!“ Noch einmal habe Jakob Böhme ihn über seinen Groll gegen ihn befragt. Da habe der Erboste durch seinen Diener nach den Stadtknechten oder Gerichtsdienern schicken wollen, dem der andere Geistliche widersprochen hatte. Folgenden Tages, am Montag, habe der Rat den Beschuldigten auf das Rathaus holen lassen und nichts Übles an ihm in Worten, Werken und Gebärden finden können, was zu strafen wäre, und schließlich beschlossen, zwei Ratsleute zu dem Prediger zu schicken, er möge vor den Rat kommen und seine Beschuldigungen vorbringen. Worauf er eifrig wurde und ausrichten lassen, was er auf ihrem Gericht- oder Rathaus zu tun habe. Was er zu sagen habe, das sage er an Gottes Statt von der Kanzel. Da sei sein Ratsstuhl. Man solle den leichtfertigen, losen, verwegenen Ketzer der Stadt verweisen. Der Rat unter dem Druck des eifernden Geistlichen und seines Einflusses als Kanzelredner habe eine Ausweisung Böhmes beschlossen, worauf die Böhme freundlich gesinnte Minderheit die Sitzung verlassen habe. Man habe nun durch die Gerichts- und Stadtdiener den unüberwiesenen, getreuen, frommen Bürger stracks zum Tore hinaus verweisen lassen, ohne ihm zu erlauben, noch einmal in sein Haus zu gehen und mit den Seinigen zu reden. Folgenden Morgen aber, als der ganze Rat wieder beisammen kam, sei man andern Sinnes geworden und habe den verjagten Mann feierlich wieder mit Ehren in die Stadt geführt: „Welches ein Wunder von Gott gewesen sei mitten unter des Teufels Akten und Dekreten.“
Wahrhaftiger Bericht von Herrn Cornelius Weisner, Med. Dr. zu Breslau, von des seligen Jakob Böhmes Sanftmut, Demut und Freundlichkeit. Bei dem Examen zu Dresden, in Gegenwart der Kurfürstlichen Durchlaucht und acht der vornehmsten Professoren.
Der Autor hatte Jakob Böhme im Jahr 1618 kennengelernt und war von ihm tief beeindruckt.
“Ich aber war der Erzieher der Kinder des Edelmanns Balthasar Tilke bei der Schweidnitz gewesen. Und weil er Böhmes Widersacher war, hatte auch ich einen Widerwillen gegen den Mann gefaßt – Gott vergeb es mir. Ich vermeinte, daß er im Wahn der Reformierten steckte, wegen der Gnaden-Wahl Gottes in seinem Sohn. Als einstmals der selige liebe Mann zu Lauben zu den beiden oben genannte Freunden gekommen war, hat er mich zu sich gebeten und zu christlicher Konferenz Anlaß und Gelegenheit gegeben, welche – dem lieben Gott sei Lob und Dank dafür gesagt – so erbaulich und selig abgelaufen war, daß wir wahre Freunde und mit rechter Hintenansetzung allen Argwohns und Irrtums in christbrüderlicher Liebe Eins geworden sind. Da der selige Mann meine akademische Heftigkeit und Ungestümheit, welcher ich damals elendig unterworfen war, mit hoch verwunderlicher großer Freundlichkeit ertragen und in solcher Liebe mit mir diskutiert hat, daß ich, um gehabter Gottesfurcht willen, ihm nicht länger widerstehen konnte, sondern der Wahrheit und der Freundlichkeit des Geistes Jesu Christi in ihm mich habe ergeben müssen. Seit der Zeit habe ich ihn selbst nicht mehr gesprochen noch gesehen.“
Diesen Bericht schrieb Weisner auf der Grundlage von Zeitzeugenaussagen.
Den vollständigen Text findest du in der Werksausgabe von 1682 und in überarbeiteter Textfassung auf pushpak.de
Hier ist eine der interessantesten Passagen daraus.
“Was aber den Vorfall zu Görlitz im Januar 1624 anbelangt, welchen ich Euch neulich zu N. erzählte, den habe ich gewiß vernommen von den beiden genannten, treuen Freunden. Nämlich: Der Görlitzische Widerpart, der damals Pastor gewesen ist, hat dem Schwager des seligen Jakob Böhme, einem jungen Bäcker, der eben eine Bluts-Freundin von Jakob Böhme geheiratet hatte, einen Taler Geld geliehen, damit er zu seiner Notdurft um Weihnachten Weizen zum Striezelbacken einkaufen konnte. Dafür hat der dem Pastor aus Dankbarkeit einen ziemlichen großen Striezel verehrt, und ihm als nächstes bald nach den Feiertagen den Taler Geld wiedergebracht und abgezahlt in der Hoffnung, der Herr Prediger würde ihm die Zinsen für den Taler erlassen, den er nur zwei Wochen geliehen hatte. Doch der Prediger hat ihn unwillig und mit Gottes Zorn und greulichem Fluch gedroht, und den einfältigen jungen Bäcker so gewaltig damit erschreckt, daß derselbe in sehr tiefe Schwermut, Melancholie und Zweifel an seiner Seligkeit geraten ist, weil er den Priester erzürnt und solchen Fluch von ihm vernommen hatte. Etliche Tage lang hat er niemandem eine Antwort gegeben, noch sagen wollen, was ihm schade, sondern ist nur seufzend, mit großer Betrübnis und mit sich selber redend umhergegangen. Das ging so, bis endlich auf herzliches Bitten seiner Ehefrau ihr seliger Vetter Jakob Böhme sich der Sachen annahm. Erst redete er dem betrübten jungen Manne so freundlich zu, bis er von ihm erfuhr, was geschehen war. Und nachdem er es vernommen hatte, tröstete er ihn, sprach ihm Friede zu und hat sich auch zum erzürnten Priester aufgemacht. Ohne Scheu doch mit aller Bescheidenheit hat er ihn aufs freundlichste gebeten, nicht mehr mit dem jungen Mann zu zürnen, sondern ihm eher Gnade angedeihen lassen. Er wollte ferner die Zinsen des geliehenen Talers tilgen, die er von ihm begehre, und ihm die Summe gerne bringen, wenn er nur wüßte, wieviel der Herr begehrte. Jedoch meinte er, daß der arme junge Mann seiner Möglichkeit nach genug dafür getan hätte. Wenn aber der Herr noch meine, daß ihm was mangelte, wollte er ihm den Mangel ersetzen.
Darauf ist der Prediger mit Ungestüm aufgefahren: Was der Zerrfleck („Lederflicker“ Jakob Böhme) bei ihm zu schaffen, ihn zu beunruhigen, zu belästigen und zu stören hätte? Was es ihn anginge, er sollte seines Tuns warten (seinem Beruf dienen) und sich packen. Jakob Böhme aber war beständig, hat um Gnade gebeten und angeboten, den Herrn zufriedenzustellen. Der Herr aber war sich seiner Ungerechtigkeit bewußt, hat sich seines Unrechts geschämt, es aber nicht bekennen noch sagen wollen, was er (als Zins) begehre. Nochmals gebot er dem Bittenden, sich zu packen und hat ihm die Stubentür gewiesen. Er aber, hat wie ein gebietender Herr auf seinem Stuhl gesessen und auch Pantoffeln angehabt. Als sich der fromme, zu Gott seufzende, demütige, sanftmütige und sehr liebreiche Bittsteller unverrichteter Dinge abwendete und im Hinausgehen aus der Türe dem zornigen Herrn einen christlichen Valet-Segen (Gott behüte euer Ehrwürden!) sprach, da erzürnte sich derselbe. Und weil er wegen des Segens nun noch viel übler gestellt war als zuvor, nahm er den Pantoffel von seinem Fuß und warf ihn nach dem seligen Mann, wobei er sagte: „Was sollst du mir, gottloser Bube, noch viel gute Nacht sagen, oder mir wünschen? Was frage ich nach deinem Segen?“ Der liebe Mann aber hob ohne Zorn den Pantoffel auf, stellte ihn dem Herrn wieder zu Füßen und sagte: „Herr, zürnt nicht, ich tue euch kein Leid, seid Gott befohlen!“
Sendschreiben wegen Sel. Jakob Böhmes Talent
und dessen Schriften
In einem Brief vom 21. Februar 1669 antwortet der Görlitzer Patrizier und spätere Bürgermeister Ehrenfried Hegenicht (1604-1680) einer nicht näher benannten Person, die offenbar Zweifel an Jakob Böhmes Urheberschaft an seinen Schriften geäußert hatte.
“Diejenigen, die leugnen, daß ein Schuster der Autor bewußter Bücher sein könne, geben damit zu verstehen, daß sie nicht glauben, daß Gott in schrift- und sprachlosen Laien, also in buchstabenungelehrten Leuten wirken könne. Sie meinen, Gott wolle nur in Lateinern und anderen Sprachkundigen sein Wort aussprechen und seinen Geist offenbaren, und besonders in den Männern, die ihre erhabene Redekunst von den Höhen in Israel geholt haben. Sie werden aber Gott seine Macht nicht nehmen, denn sie sind viel zu wenig dazu.“
Hegenicht hatte Böhme nicht mehr kennengelernt, war “aber 1624 bald nach seinem Tod mit etlichen seiner vornehmsten Freunde und Verehrer bekannt geworden, welche viel und lange Umgang mit ihm hatten.” Der Bericht offenbart daher vieles von Böhmes erstaunlichen Talenten, wenn auch einige Passagen skeptisch zu sehen sind, etwa seine Begabung, fremde Sprachen zu verstehen.
Den vollständigen Text dieses interessanten Dokuments findest du in der Theosophia revelata von 1715 und in überarbeiteter Textfassung auf pushpak.de
“Es wäre wohl ein klugsinniger und erfahrener Redner nötig, um den seligen Lebenslauf dieses von Gott so begnadeten Mannes Jakob Böhme angemessen zu beschreiben. Doch bis jetzt hat es niemand angefangen, und so versuche ich es als ein Bekannter, kurz und einfach, doch auch gründlich und wahrhaftig, sofern ich es aus Gesprächen der Jahre 1623 und 1624 mit dem selig Verstorbenen erfuhr und noch im Gedächtnis habe.“
So beginnt der “Bericht von dem Leben und Abscheid des in Gott selig-ruhenden Jacob Böhmens” aus dem Jahr 1651 von Abraham von Franckenberg. Es ist eines der wichtigsten zeitgenössischen Dokumente, die Jakob Böhme als Mensch beschreiben.
Hier ist eine interessante Geschichte aus diesem Bericht.
Den vollständigen Text findest du
– in der Werksausgabe von 1682
– in überarbeiteter Textfassung auf pushpak.de
Denn wie mir der selige Mann selber erzählte, hat es sich einst in seinen Lehrjahren zugetragen, daß ein fremder, zwar schlecht bekleideter, doch feiner und ehrbarer Mann vor den Laden gekommen ist und für sich ein paar Schuh kaufen wollte. Weil aber weder Meister noch Meisterin zu Hause waren, hat sich Jakob als Lehrjunge nicht getraut, den Kauf zu bewerkstelligen. Als der Mann jedoch ernsthaft darauf bestanden hat, nannte Jakob ihm einen recht hohen Preis, in der Hoffnung, ihn damit abzuschrecken. Doch der Mann gab ihm ohne Widerrede das Geld, nahm die Schuhe und verließ den Laden. Ein wenig vor dem Laden stand er still und rief mit lauter und ernster Stimme: „Jakob, komm heraus!“ Dieser erschrak erst sehr, daß der unbekannte Mann seinen Taufnamen wußte, doch dann stand er auf und ging zu ihm hinaus auf die Gasse. Die Augen des ernsten und freundlichen Mannes funkelten lichtvoll, als er Jakob bei der rechten Hand nahm, ihm direkt in die Augen sah und sprach: Jakob, du bist klein, aber du wirst groß und gar ein anderer Mensch und Mann werden, so daß sich die Welt über dich verwundern wird! Darum sei fromm, fürchte Gott und ehre sein Wort. Insbesondere lies gerne in der Heiligen Schrift, darin du Trost und Unterweisung findest, denn du wirst viel Not und Armut mit Verfolgung erleiden müssen. Aber sei getrost und bleib beständig, denn du bist Gott lieb, und Er ist dir gnädig! Daraufhin drückte ihm der Mann die Hand, sah ihm nochmals tief in die Augen und ging seines Weges. Jakob hat dies sehr bestärkt, und so konnte er die Weissagung, Ermahnung und Gestalt des Mannes nie vergessen.
Sonderausstellung
Jakob Böhme
Klicke auf
für Infos
Sonderausstellung
Jakob Böhme
Im Wasser lebt der Fisch, die Pflanzen in der Erden,
Der Vogel in der Luft, die Sonn im Firmament.
Der Salamander muß im Feur erhalten werden:
Und Gottes Herz ist Jakob Böhmens Element.
In Böhme ist uns der Aufschluß für die kommenden Ereignisse gegeben… Oh ihr lutherisch-theologischen Hochschulfakultäten! Warum schlafet ihr? …
Ich bringe den hocherleuchteten Böhme mit dem Ewigen Evangelium vor euch. Oh ihr Hochschulen Deutschlands, als die hochbedrängteste Zeit nach seiner Weissagung vorhanden. Bespiegelt euch darinnen und erspiegelt euren Untergang, wo ihr jetzt aus Babel, das heißt, aus euren gotteslästerlichen Hochschulen, Religionsverwirrungen und Glaubensverwirrungen in die sanftmütige Jesusliebe auszugehen versäumet. Wachet auf, hoch verführte Schrift-Doktoren, wachet auf!
“Quirin Kuhlmann’s Neubegeisterter Böhme” (1674)
Sagt man, Jakob Böhme sei so undeutlich und schwer zu verstehen, so antworte ich: Man habe nur Geduld, seinen Verstand gegen andere Philosophen zu halten, so wird man leicht urteilen, was mit dem Gewissen des Menschen am besten zutreffe. Es ist auch nicht alles auf diese Jahre geschrieben, sondern von jetzt geht der Aufschluß der Wahrheiten fort bis in die Tausend Jahre, und von da in die Ewigkeit.
Friedrich Christoph Oetinger “Swedenborgs und anderer Irrdische und Himmlische Philosophie” (1773)
… daher bisweilen der Anblick eines unbedeutenden Gegenstandes, oder Vorganges, der Keim eines großen und schönen Werkes geworden ist; wie denn auch Jakob Böhme durch den plötzlichen Anblick eines zinnernen Gefäßes in den Zustand der Erleuchtung versetzt und in den innersten Grund der Natur eingeführt wurde. Kommt doch überall zuletzt Alles auf die eigene Kraft an:
und wie keine Speise, oder Arznei, Lebenskraft ertheilen, oder ersetzen kann; so kein Buch, oder Studium, den eigenen Geist.
Arthur Schopenhauer “Parerga und Paralipomena” (1851)
Jeder Gelehrte zählt seinen Kritiker zu den »unbefugten Autoren«. Oder sollen Ungelehrte entscheiden, wer ein befugter Gelehrter sei? Offenbar müßte man das Urteil den unbefugten Autoren überlassen, denn die Befugten können nicht Richter in eigener Sache sein. Oder soll die Befugnis an einen Stand geknüpft sein! Der Schuster Jakob Böhme war ein großer Philosoph. Manche Philosophen von Ruf sind nur große Schuster.
Karl Marx: Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags, Erster Artikel. Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen. Erstdruck in: Rheinische Zeitung (Köln), Nr. 125-139, 5.-19. 5. 1842. Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1956, Band 1, S. 72
Ein neues Studium für mich ist Jacob Böhme. Es ist eine dunkle, aber eine tiefe Seele. Das meiste aber muß entsetzlich studiert werden, wenn man etwas davon kapieren will. Er ist reich an poetischen Gedanken und ein ganz allegorischer Mensch. Seine Sprache ist ganz eigentümlich, alle Wörter haben eine andere Bedeutung als gewöhnlich: Statt Wesen, Wesenheit sagt er Qual, und Gott nennt er einen Ungrund und Grund, da er keinen Grund noch Anfang seiner Existenz hat, sondern selbst der Grund seines und alles anderen Lebens ist. Bis jetzt habe ich erst drei Schriften von ihm auftreiben können, fürs erste freilich genug.
Friedrich Engels an Friedrich und Wilhelm Graeber, 1838
Jakob Böhme ist nicht nur schwer zu lesen, so wie etwa Kant in vielen Kapiteln schwer zu lesen ist. Er ist überhaupt nicht zu lesen, wenn die Einstellung fehlt. Am schwersten kommt der gebildete Vielleser in ihn hinein. Seine Lektüre erfordert, könnte man sagen, gerade dieselben Vorbedingungen wie das mystische Erleben selber – sie fordert ein vorübergehendes „Leerwerden“, eine völlig freie Aufmerksamkeit und Seelenstille. In den Stunden, wo diese uns fehlt, spricht Böhme nicht zu uns, ist er uns tot und öde, denn der Neugierde und dem bloßen intellektuellen Spieltrieb gibt er nichts. Aber in Stunden, wo wir reif für ihn sind, sehen wir in seinem mystischen Abbild der Welt die Sterne kreisen und ordnen uns in seinen Kosmos lebendig mit ein.
Hermann Hesse, Gesammelte Werke, Band 12, S95
Ich kann nicht unterlassen, den Lesern oder vielmehr den Verlegern zu melden, daß ich endlich, nach einer fast fünfzehnjährigen Lektüre des größten Schriftstellers, den wir haben, ich meine Jakob Böhme, einige Paragraphen in ihm so verstehe, als wenn ich sie heute selbst geschrieben hätte.
Georg Christoph Lichtenberg “Über den gegenwärtigen Zustand der Literatur”
Man kann nicht umhin, von Jakob Böhme zu sagen, er sei eine Wundererscheinung in der Geschichte des deutschen Geistes.
Könnte man je vergessen, welcher Schatz von natürlicher Geistes- und Herzenstiefe in der deutschen Nation liegt, so dürfte man sich nur an ihn erinnern, der über die psychologische Erklärung, die man von ihm versucht, in seiner Art ebenso erhaben ist, wie es zum Beispiel unmöglich wäre, die Mythologie aus gemeiner Psychologie zu erklären […] Jakob Böhme ist wirklich eine theogonische Natur, aber eben dies hinderte ihn, sich zur freien Weltschöpfung, und eben damit auch zur Freiheit der positiven Philosophie zu erheben.
F.W.J. Schelling “Philosophie der Offenbarung” (1841/42)
Von Jakob Böhme sollte eigentlich auch hier die Rede sein. Denn er hat ebenfalls die deutsche Sprache zu philosophischen Darstellungen benutzt und wird in diesem Betracht sehr gelobt. Aber ich habe mich noch nie entschließen können ihn zu lesen. Ich laß mich nicht gern zum Narren halten. Ich habe nämlich die Lobredner dieses Mystikers in Verdacht, daß sie das Publikum mystifizieren wollen. Was den Inhalt seiner Werke betrifft, so hat Euch ja Saint-Martin einiges davon in französischer Sprache mitgeteilt. Auch die Engländer haben ihn übersetzt. Karl I. hatte von diesem theosophischen Schuster eine so große Idee, daß er eigens einen Gelehrten zu ihm nach Görlitz schickte, um ihn zu studieren. Dieser Gelehrte war glücklicher als sein königlicher Herr. Denn während dieser zu Whitehall den Kopf verlor durch Cromwells Beil, hat jener zu Görlitz, durch Jacob Böhmes Theosophie, nur den Verstand verloren.
Heinrich Heine “Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland” (1834)
Anmerkung: Heine war kein tiefgründiger Philosoph. Da er, wie er selbst schreibt, Böhme nicht gelesen hat, ist der Text eher als Bonmot zu sehen, seiner Wertung aber kein allzu großes Gewicht beizumessen.
Jakob Böhme ist der lehrreichste und zugleich interessanteste Beweis, daß die Mysterien der Theologie und Metaphysik in der Psychologie ihre Erklärung finden… denn alle seine metaphysischen und theosophischen Bestimmungen und Ausdrücke haben patho- und psychologischen Sinn und Ursprung.
Ludwig Feuerbach “Geschichte der neueren Philosophie” (1833)
Schelling hat etwas begriffen von Jakob Böhme. Er hat auch fortgelebt bei Goethe und anderen großen Geistern des 19. Jahrhunderts. Erst als der Materialismus aufkam, wurde das Geistesleben dem Jakob Böhme entfremdet. Dann verstand man ihn immer weniger. Es wird wieder eine Zeit kommen, in der man ihn nicht nur verstehen wird, sondern in der man von ihm wird lernen wollen. Dann wird für das, was man heute Theosophie nennt, eine neue Ära heranrücken. Es wird dann eine Zeit kommen, wo man solche tiefe Geistestaten wie die Schriften Jakob Böhmes, wie die germanische Mythologie wieder verstehen wird, wo diese einer neuen Verklärung entgegengehen werden. Dann wird eine Vergeistigung aller Weisheit, aller menschlichen Energie herbeigeführt werden können. Wenn das Zeitalter zu Ende geht, das in der äußeren Beherrschung aller Naturkräfte seine Aufgabe hat, dann wird auch Jakob Böhme wieder verstanden werden.
Rudolf Steiner “Jakob Böhme” (1906)
Lexika zeigen nicht nur, wie sich das Wissen zu einem Thema im Laufe der Zeit geändert hat, sie geben auch Aufschluss darüber, welche Bedeutung dem Thema zur jeweiligen Zeit beigemessen wurde.
Mit der idealistisch-romantischen Bewegung Anfang des 19. Jahrhunderts fand Jakob Böhme wieder stärkere Beachtung, nicht zuletzt wegen der Verehrung, die ihm von Hegel und Schelling entgegengebracht wurde. Während der Böhme-Eintrag in der Ausgabe von 1809 nur wenige Zeilen einnimmt (rechts), widmet man ihm in der Ausgabe von 1814 (unten) ganze fünf Seiten.
In der DDR wurde Jakob Böhme geschätzt, obwohl man mit christlichem Gedankengut nicht viel am Hut hatte. Böhmes humanistischer Ansatz wurde aber durchaus gewürdigt, vor allem las man aus seinen Schriften, “erst aus dem Kampf der Gegensätze seien Entstehung und Fortbestand der Welt zu erklären“.(Zitat Lexikon) Dies entsprach den Lehren der Marxistischen Geschichtsphilosophie.
Wenn man methodisch erst einmal herausheben will, was das Eigentümliche dieser erzdialektischen Philosophie ist, so wiederhole ich: Hier ist trotz Nikolaus von Cusa die erste objektive Dialektik seit Heraklit. Dergleichen haben wir schon bei Paracelsus gesehen, aber bei Böhme geht es ins Ungeheure und auch Ungeheuerliche weiter. Er hatte ein völlig qualitatives Naturbild, das den äußersten Gegenpol darstellt zu der mathematischen Naturwissenschaft seit Galilei und Newton …
Ernst Bloch Gesamtausgabe Band 12, Frankfurt: Suhrkamp, 1959
Dieser Jakob Böhme, lange vergessen und als ein pietistischer Schwärmer verschrien, ist erst in neueren Zeiten wieder zu Ehren gekommen; Leibniz ehrte ihn. Durch die Aufklärung ist sein Publikum sehr beschränkt worden; in neueren Zeiten ist seine Tiefe wieder anerkannt worden. […] Jakob Böhme ist der erste deutsche Philosoph; der Inhalt seines Philosophierens ist echt deutsch. Was Böhme auszeichnet und merkwürdig macht, ist das schon erwähnte protestantische Prinzip, die Intellektualwelt in das eigene Gemüt hereinzulegen und in seinem Selbstbewußtsein alles anzuschauen und zu wissen und zu fühlen, was sonst jenseits war.
G.W.F. Hegel: “Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie” Erstveröffentlichung 1821
Anmerkung: Die Aussage “der erste deutsche Philosoph” können wir aus heutiger Sicht nicht teilen, da zumindest Meister Eckhart und Nikolaus von Kues ebenfalls deutsche Philosophen waren und weit vor Böhme lebten.
Böhme war lediglich der erste, welcher ausschließlich in deutscher Sprache schrieb.
Sonderausstellung
Jakob Böhme
Dem Leben und Schaffen Jakob Böhmes wurden zahlreiche Ausstellungen gewidmet. Hier einige Beispiele, zu denen noch Inhalte online verfügbar sind.
Zu seinem Begräbnis wurde für Jakob Böhme ein kunstvolles Kreuz aufgestellt, “welches aber bald von teuflisch verhetzten Lästerzungen mit Kot besudelt und zerstört wurde.” So schreibt der Chronist Abraham von Franckenberg (1651).
“Es war ein schwarzes Holzkreuz mit dem hebräischen Namen IHSVH und 12 goldenen Sonnenstrahlen, darunter ein Kindlein mit aufgestütztem Arm und Haupt auf dem Totenkopf ruhend, mit den acht Buchstaben U.H.I.L.I.C.I.U. unterschrieben („Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!“).
In einem breiten Oval standen nachfolgende Worte mit goldenen Buchstaben: „Aus Gott geboren, in IHSVH gestorben, mit dem Heiligen Geiste versiegelt, ruht allhier Jakob Böhme von Alt-Seidenberg, Anno 1624, den 17. November um 6 Uhr vor Mittag im 50. Jahr seines Alters seliglich verschieden.“
Zur Rechten, vom Mittag (Süden) her, war an dem Kreuz ein schwarzer, gekrönter Adler auf einem hohen Berg gemalt, der mit seinem linken Schenkel einer großen gewundenen Schlange auf den Kopf trat. In der rechten Klaue hielt er einen grünen Palmenzweig, und mit dem Schnabel empfing er einen aus der Sonne dargereichten Lilien-Zweig, dabei stand: VIDI. („Ich sah“ von „Veni, Vidi, Vici“ – „Ich kam, sah und siegte.“)
Zur Linken des Kreuzes, nach Mitternacht (Norden), stand ein mit goldener Krone und Kreuz gekrönter, gelber Löwe. Mit dem rechten Hinterfuß trat er vor sich auf einen viereckigen Eckstein, mit dem linken aber, hinter sich, auf den umgekehrten Reichsapfel oder Globus. In der rechten Vorderpfote hielt er ein feuerflammendes Schwert, in der linken ein brennendes Herz (mit einem Auge darin), wobei sich fein geschickt das Wort VICI („Ich siegte“) einfügte.
Mitten unter dem breiten Oval stand am Stamm des Kreuzes ein Lamm mit einem Bischofshut, wie dergleichen in der 29. von den 32 magischen Figuren des Theophrastus Paracelsus zu finden ist. Das Lamm weidet unter einem Palmbaum an einer sprudelnden Quelle in den Blumen einer grünenden Aue. Und hier stand VENI („Ich kam“). Diese drei lateinischen Worte sind wie folgt zu verstehen: „In Mundum VENI! Satanam descendere VIDI! Infernum VICI! VIVITE Magnanimi.“ Auf deutsch: „Ich bin gekommen in die Welt, den Menschenkindern zur Hilfe. Den Satan habe ich bald gesehen, wie er das verhindern wollte. Ich stürmte ihm aber seine Hölle und hab ihn überwunden. Kämpft wohlgemut ihr Gläubigen, so wird das Heil gefunden!“
Letztlich standen von unten vom Boden her am Stamm des Kreuzes herauf seine letzten Worte: „Nun fahr ich hin ins Paradies.“
Abraham von Franckenberg “Jakob Böhme. Bericht vom Leben und Abscheiden”(1651)
Johannes Pfuhl (1846 – 1914) entwarf das als Brunnen konzipierte Denkmal. 1898 wurde es in Lauchhammer gegossen. Enthüllt wurde es am 31. Oktober 1898 an der Furthstraße, an einem kleinen Platz vor der (später erbauten) Stadthalle und der Stadtbrücke.
Bis zur Umsetzung 1972 verwies eine Markierung im Sockel auf den 15.Meridian. 1972 wurde das Denkmal in den Park des Friedens versetzt, damit die Grenzabfertigungsanlage Platz finden konnte.
Quelle: Stadtwiki Görlitz
In diesem Haus im heutigen Zgorzelec, in dem Jakob Böhne einige Jahre wohnte und seine Schuhmacherwerkstatt hatte, ist ein kleines Museum untergebracht.