Werke
“Il Principe” (Der Fürst) ist das bekannteste Werk von Niccolò Machiavelli und wird oft als eines der bedeutendsten Werke der politischen Philosophie betrachtet. Es ist eine kurze Abhandlung, die in Form von Ratschlägen an einen fiktiven Fürsten geschrieben ist. Er beschreibt darin, wie ein Herrscher seine Macht aufrechterhalten und seine Feinde besiegen kann, auch wenn er dabei unethische Methoden einsetzen muss. Machiavellis zentrale These ist, dass es für einen Fürsten wichtiger ist, gefürchtet als geliebt zu werden, da Furcht eine stärkere Triebfeder für Gehorsam und Loyalität ist. Der Fürst sollte außerdem bereit sein, die Regeln der Moral und der Gerechtigkeit zu brechen, um seine Ziele zu erreichen und seine Macht zu erhalten. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Gewalt, Lügen und Intrigen, wenn es notwendig ist, um die Feinde des Staates zu besiegen.
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Machiavellis Frage lautete sinngemäß: Was muss ein Staatsmann wissen? Machiavelli gilt als einer der Väter der modernen politischen Theorie, denn er hat die relative Selbständigkeit des Politischen entdeckt. Obwohl bei ihm weder der Begriff Staatsräson (ragione di stato) noch der des Ausnahmezustands vorkommen, spielen beide jedoch faktisch eine Rolle bei ihm. Auch verfügt er noch über keinen Begriff staatlicher Souveränität.
Machiavelli beantwortet seine Frage wie folgt: Politik ist die Kunst des Scheins. Ein Staatsmann muss wissen, dass er religiöse und moralische Wertbindungen vertreten soll, von denen er jedoch in Einstellungen und Verhalten insofern abweichen darf, als diese Wertbindungen die Regierungstätigkeit und die Erhaltung eines staatlichen Gemeinwesens eher stören als fördern. Ein Staatsmann darf sich ebenfalls nicht entzaubern lassen. Er bedarf einer Aura seiner Wirksamkeit, die ihn stets schützt. Er spricht von einer wirklich-wirksamen Wahrheit (verità effetuale della cosa, Il Principe Kap. 15), mit der Utopien nicht vereinbar sind. Wahrheit wird zum politischen Handlungserfolg.
Wer also wird wie beherrscht? Es ist das Volk. Machiavelli verachtet es als Pöbel (vulgo) und schätzt es zugleich höher als den Fürsten ein: Ein Volk sei klüger, beständiger und von besserem Urteil als ein Fürst. Ähnlich wie in der Antike Aristoteles rät Machiavelli von Aktionen ab, die dazu führen, dass das Staatsvolk den Herrscher verachtet. Machiavelli geht von einem Alleinherrscher aus, der weder auf Nobilität noch auf religiöse Traditionen zurückgreifen kann. Er müsse eine benevolenzia populare, ein Wohlwollen des Staatsvolkes, erreichen. Doch er dürfe sich auch nicht unentschlossen verhalten. Wichtig ist auch, dass der Herrscher nicht raubgierig ist und das Vermögen des Volkes nicht antastet. Die Menschen vergessen eher den Tod ihres eigenen Vaters als den Verlust ihres Erbes (Il Principe Kap 17) Und verallgemeinert: Solange man den Menschen weder Ehre noch Eigentum raubt, leben sie zufrieden (vivono contenti, Il Principe, Kap. 19) Da Politik auf Schein angewiesen ist, benötigt er Desinformation und Fiktionen. Damit setzt er Platon fort, der seinen politischen Entwurf ausdrücklich auch auf Lügen gegründet hatte.
Machiavelli bemüht oft eine virtù, vor allem in der Vorrede zum zweiten Buch seiner ausführlichsten Schrift Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius. Sie meint Stärke im Unterschied zu Schwäche. Und sie meint Tugend im Unterschied zu Laster. Machiavelli verwendet virtù im Sinn von Stärke als Fähigkeit zu politischem Erfolg. Stärke schließt auch Beratungs- und Anpassungsfähigkeit ein. Von Stärke hängt auch Tugendfähigkeit ab. Doch Stärke ist für Machiavelli grundlegender als die Unterscheidung von Tugend und Laster.
Für Machiavelli muss der Fürst ganz und gar Milde, Vertrauenswürdigkeit, Integrität, Menschlichkeit und Frömmigkeit sein (tutto pietà, tutto fede, tutto inegrità, tutto umanità, tutto religione). Er weiß, dass diese fünf Tugenden von keinem Menschen verkörpert werden können und gibt augenzwinkernd zu verstehen, es solle nur der Anschein erweckt werden. Es solle eine Aura des Unwahrscheinlichen generiert werden, mit welcher der Fürst andere zu seinen Gunsten blendet.
Die “Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio” sind eine Abhandlung in drei Büchern, in denen Machiavelli die Republik als die beste Staatsform betrachtet und die Voraussetzungen für ihre Stabilität und Fortdauer untersucht. Es geht ausführlich auf die politischen Institutionen der Republik ein und argumentiert, dass die Machtaufteilung und die Gewaltenteilung entscheidend für ihre Stabilität sind. Es untersucht auch die Rolle der Bürger in der Republik und die Bedeutung von Bildung und Engagement für das Gemeinwohl.
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Machiavelli wirkt auch heute weiter. Man hielt ihn zunächst für schuldig an den Massakern der Bartholomäusnacht in Frankreich. Zudem inspirierte er Marlowe und Shakespeare zu einem Bühnen-Machiavelli im Elisabethanischen Theater.
1576 ließ der französische Hugenotte Innocence Gentillet eine Schrift verbreiten, die Machiavelli als geistigen Vater der Bartholomäusnacht verstehen wollte. Denn am 24. August 1572 und in den folgenden Tagen wurden in Paris mehr als 10.000 französische Protestanten im Schlaf ermordet. Dies geschah durch Anhänger der Partei der Guise und mit Billigung der Königin Katharina aus dem Haus der Medici. Es handelt sich um den ersten Völkermord aus politischen Motiven, der auch als Politozid bezeichnet wird. In Rom ließ Papst Gregor XIII. ein Tedum anstimmen, ließ Münzen prägen, auf denen Engel zu sehen sind, welche die Protestanten ermordeten und urteilte, dieses Massaker erfreue ihn noch mehr als jener Seesieg über die Türken bei Lepanto 1571. Doch auf Machiavelli kann dieser Politozid nicht zurückgeführt werden. Weder er noch sein Freund Guicciardini sprachen sich für Politozide aus. Statt Massentötungen dürften lediglich einige aus dem Weg geräumt werden. Zwar ist auch die Lizenz zum Einzelmord verwerflich. Doch die Politozide des Nationalsozialismus haben mit Machiavelli nichts zu tun. Zu deren geistigen Vätern gehört eher Friedrich Nietzsche und seine Forderung nach der Vernichtung von Millionen – in seiner unbegründeten Wertung – missratener Menschen.
Der Bühnen-Machiavelli verfolgt speziell bei Shakespeare als Jago, als Richard III, als Edmund in King Lear verwerfliche Ziele um des Verwerflichen willen, sie verhöhnen alle Religion und Moral, sie begehen Verrat an ihren Verbündeten und werden erst dann enttarnt, als es bereits zu spät ist, um den Untergang der Opfer zu verhindern. Der erste Bühnen-Machiavelli erscheint als der Jude Barabas in Marlowes Tragödie The Jew of Malta. Shakespeares Richard III. beansprucht gar, dass er den mörderischen Machiavelli zum Nachsitzen auf eine Schule schicken wolle.
Das Verständnis der Fürstenschrift war seit Traiano Boccalini von der Deutung belastet, dass der Fürst alle üblen Verhaltensweisen aufweist, um ihn dem öffentlichem Abscheu auszuliefern. Dieser Umdeutung des Fürsten folgten Rousseau und die französischen Aufklärer und der italienische Dichter Ugo Foscolo. Es gehe Machiavelli um eine Enttarnung der Listen des souveränen Alleinherrschers. Heute versteht man Machiavelli als Vertreter eines politischen Realismus.
Ehrungen
Machiavelli war ein Kritiker der Kirche und ein Verteidiger der Vernunft und der Freiheit.
Voltaire
Machiavelli war ein Meister der politischen Psychologie, der uns gezeigt hat, wie Menschen in Machtpositionen handeln und denken.
Hannah Arendt
Machiavelli war ein revolutionärer politischer Theoretiker, der uns eine realistische Sicht auf die Macht und Politik gegeben hat.
Antonio Gramsci
Bildnachweis
JoJan: Macchiavelli Skulptur von Lorenzo Bartolini (CC BY 3.0)
Büste in Villa Borghese: Krzysztof Golik (CC BY-SA 4.0)
Grabmal: Rufus46 (CC BY-SA 3.0)