Jean-Jacques Rousseau
* 28.06.1712 in Genf
† 02.07.1778 in Ermenonville
gilt als einer der einflussreichsten Philosophen und Schriftsteller der Aufklärung. Seine Ideen gehören zu den ideologischen Grundlagen der Französischen Revolution.
und hatten großen Einfluss auf die Entwicklung von Philosophie, Politik, Pädagogik und Literatur.
liegt er in Fesseln.
Stationen seines Lebens
Im Unterschied zu allen anderen Autoren war und blieb Rousseau Autodidakt. Dies ermöglichte ihm eine Sicht auf unsere Kultur, die alle vertrauten Gewissheiten in Frage stellte. Er verachtete auch die Philosophen. Philosophen seien Zeitgenossen, die sich Watte in Ohren stecken, wenn unter ihrem Fenster jemand ermordet werden soll. Zudem findet er, dass, wenn jemand etwas Zutreffendes entdeckt habe, dies falsch sei, weil er es nicht selbst herausgefunden hat.
Sein Leben verlief extrem unstet. Er verließ seine Genfer Heimat, traf seine Ersatzmutter Madame de Warens, ging nach Turin, kam zu Madame de Warens zurück, ging nach Paris, wo er mit seiner Abhandlung über Wissenschaft und Kunst 1750 einen Preis gewann. Weil er Außenseiter sein wollte, entstanden Konflikte mit den Etablierten seiner Zeit, mit Diderot, mit Voltaire, mit David Hume, mit dem Erzbischof von Paris. Seine Feinde erklären ihn für tot. Er verlässt Frankreich und lebt für kurze Zeit in Großbritannien. Er verfasst seine Memoiren als Bekenntnisse. Er heiratet die Wäscherin Thérèse Levasseur, mit der er vier Kinder zeugte, die er sofort in einem Findelhaus abgab. Diese Praxis war zu jener Zeit nichts Ungewöhnliches.
Obwohl er nicht zu dem Klub der Intellektuellen seiner Zeit gehörte, besaß er Freunde aus den Reihen des Hochadels, die ihm zur Flucht aus Paris wegen seiner Schrift Emil über die Erziehung verhalfen. Am Ende seines Lebens verbringt er seine letzten sechs Wochen bei einem Verehrer, dem Grafen Girardin in Ermenonville. Er stirbt 1778 in Ermenonville an einem Schlaganfall. In diesem Jahr stirbt auch der achtzehn Jahre ältere Voltaire, der ihn anonym und heimtückisch mit erfundenen Fakten beleidigt hatte, ohne dass Rousseau seine Autorschaft aufdeckte.
Unter seinen Zeitgenossen gab es nur eine einzige Gestalt von Rang, der Rousseau Asyl in seinen Besitzungen im Raum Neufchâtel anbot. Es handelte um den ebenfalls mit Philosophie beschäftigten König Friedrich den Großen.
Sein Werk
Sein Werk beruht auf dem Versuch, folgende Frage zu beantworten: Warum haben die Menschen ihre einst glückliche Zeit verloren, und was lässt sich tun, um eine Selbstzerstörung des Menschen aufzuhalten?
Diese Frage beschäftigt Rousseau seit seiner preisgekrönten Schrift über die Wissenschaften und die Künste. Rousseau erzählt den zuerst bei Hesiod mythisch berichteten Weg der Menschen historisch nach. Denn dieser Weg ist eine Abstiegsgeschichte der Menschheit. Sie beginnt mit dem Goldenen Zeitalter. Jeder hatte genug für sich. Es bestand Frieden unter den Menschen und zwischen Menschen und Tieren. Dann setzte allmählich der Abstieg ein. Er führte zum Silbernen, dann zum bronzenen Zeitalter und endete mit dem Eisernen Zeitalter, in welchem die Menschen vom Raub lebten. Rousseau erzählt diesen Abstieg mit historischer Wahrscheinlichkeit nach. Er legt dar, dass vermutlich ein Vulkan eine Wendung herbeiführte. Weil der Vulkan Metalle ausspie, wollten die Menschen dies nachahmen und erfanden die Metallurgie. Damit die mit Metallurgie Beschäftigten ernährt werden mussten, entstand die Landwirtschaft, die wiederum metallische Geräte einsetzte. Mit der Landwirtschaft entstand der Eigentumsgedanke. Denn was man bearbeitet, sollte einem auch gehören. Seit jener Zeit gab es eine Herrschaft des Eigentums als Gesellschaft, die mehrheitlich aus Armen und einer Minderheit von Wohlhabenden besteht. Wie sieht diese Eigentumsgesellschaft aus? Als Usurpation der Reichen. Sie diktierten die Bestimmungen, welche das Menschengeschlecht der Arbeit, der Knechtschaft und dem Elend unterwarfen. Somit hat die Abstiegsgeschichte der Menschheit zwei Quellen: Zufälle (Vulkanausbruch) und der hinterhältige Betrug der Reichen an den Armen. Um diesen Betrug zu markieren, dachte sich Rousseau eine Formel eines Gesellschaftsvertrages aus, der lauten könnte. Der Reiche sprach zu den Besitzlosen: Ich braucht mich, denn ich bin reich und ihr seid arm; treffen wir eine Vereinbarung: Ich erlaube, dass ihr die Ehre habt, mir zu dienen, unter der Bedingung, dass ihr mir das wenige geben werdet, was euch bleibt, und dies für die Mühe, der ich mich unterziehen werde, um euch zu befehlen. Dieser Gesellschaftsvertrag hat zwei Ziele: dass die Armen dauerhaft verelenden und dass sie sich den Reichen unterwerfen. Der Betrug gab jedoch den Armen eine Vorstellung vom Gesetz, dass sie gleichberechtigte Teilnehmer einer Ordnung für alle seien. Der bisherige Staat stellte für Rousseau das genialste Betrugsmanöver dar, das bisher von Menschen ersonnen worden war. Gibt es Abhilfe? Rousseau publiziert 1762 seine Schrift Vom Gesellschaftsvertrag. Er legt zugrunde, dass nicht etwa Freiheit die Basis der Gesellschaft ist. Denn Freiheit war ja gerade die Grundlage dafür, dass gleiche Gesetze herrschen, deren Zweck es ist, ausschließlich die Wohlhabenden zu begünstigen. Folglich muss etwas anderes die Grundlage dafür sein, dass ein Volk ein Volk ist. Die ist die Gleichheit. Die Gleichheit ist dann gegeben, wenn alle sich einmütig unter das stellen, was alle wollen. Dies sei der unteilbare Wille aller, die volonté générale. Ist der Staat auf sie gegründet, so entfällt die Betrugsvertrag der Reichen. Doch da jede Regierung sich wiederum verselbständigt und eigenmächtig handelt, hat Rousseau diesen Versuch wieder aufgegeben, Mensch und Bürger miteinander zu verbinden.
Er wendet sich Fragen der Erziehung zu und konzipiert mit seinem Erziehungsroman Emil eine Entdeckung des Eigenrechtes der Kindheit. Das Kind hört auf, eine Reproduktion der Erwachsenenwelt zu sein. Dies wurde ihm verübelt. Der Roman wurde öffentlich verbrannt, und Rousseau musste aus Paris Richtung Neufchâtel fliehen. Er verfasst ebenso den Roman einer wechselseitigen Liebe mit Julie ou la Nouvelle Héloise. Diese enthält auch den Entwurf einer intakten Familie.
Bis heute am meisten hat Rousseau mit seinen Bekenntnissen gewirkt, ebenso mit seinem unvollendeten Werk Die Träumereien eines einsamen Spaziergängers. Beide sind eine unerschöpfliche Quelle von Selbstbeobachtung, Naturnähe und Gesellschaftskritik und bereiten die europäische Romantik vor. Rousseau entdeckt: Wer denkt, müsse existieren. Insoweit wird Descartes betätigt. Doch wer existiert, der müsse nicht auch denken.
Bis zu seinem Ende hat Rousseau das Goldene Zeitalter als privaten Innenraum wieder erschlossen. Doch der Niedergang der Gesamtkultur stand für ihn fest. Der Niedergang lasse sich zwar verzögern, doch aufhalten lasse er sich nicht.
Wirkungen Rousseaus
Rousseau war nicht allein Schriftsteller, sondern betätigte sich auch erfolgreich als Linguist und als Musiktheoretiker. Doch während er in dieser Hinsicht kaum wirkte, war sein Einfluss auf Politik, auf Erziehung, auf die Frauenbewegung in Frankreich und England und auf die Romantik extrem. Der britische Philosoph Lord Acton urteilte einmal zutreffend, Rousseau besitze mehr Einfluss als alle Philosophen zusammen.
Die Französische Revolution legte seine Schrift über den Gesellschaftsvertrag zugrunde. Während Rousseau sich von dieser Schrift verabschiedete, so kam von Saint-Just die Einschränkung des Allgemeinwillens auf Mehrheiten. Das aber läuft auf eine Teilung des Allgemeinwillens hinaus, die laut Rousseau sinnwidrig ist.
Rousseau wirkte stark auf Kant, auf Hegel, auf Goethe, auf die europäische Romantik, aber ebenso auf Marx. Für Marx war der zitierte Betrugsvertrag der Beweis, dass die bisherige Geschichte die Geschichte von gleichen Gesetzen bilden, mit denen die Reichen die Armen betrügen.
Mancher hält sich für den Herrn seiner Mitmenschen und ist trotzdem mehr Sklave als sie.
Goethe machte daraus:
Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.
Und Schiller:
Der Mensch ist frei geboren, ist frei
Und würd’ er in Ketten geboren.
Rousseau war verrückt, aber einflussreich; Hume war vernünftig, hatte aber keine Anhänger.
Bertrand Russell
David Hume und Jean-Jacques Rousseau kannten sich persönlich, ihr Verhältnis zueinander war jedoch ambivalent. Eine der Hauptursachen für Unstimmigkeiten war ihre unterschiedliche Auffassung zum Ursprung der moralischen Werte und der menschlichen Natur. Hume, ein Empiriker, betonte die Rolle der Erfahrung und argumentierte, dass moralische Prinzipien auf nützlichen sozialen Konventionen basieren. Rousseau hingegen vertrat die Ansicht, dass der Mensch von Natur aus gut sei und dass die Zivilisation ihn korrumpiere.
Ein weiterer Konfliktpunkt war ihre politische Philosophie. Hume war eher ein Anhänger der repräsentativen Regierung und sah die Monarchie als stabilisierende Kraft. Rousseau dagegen favorisierte einen direkten sozialen Vertrag und betonte die Idee der Volkssouveränität. Diese unterschiedlichen Ansichten führten zu Streitigkeiten, die auch öffentlich ausgetragen wurden.
Wie tief die Verachtung schließlich ging, zeigt ein Brief Humes an Adam Smith vom 8. Oktober 1767:
“Sie sehen also, [Rousseau] ist eine Komposition aus Launen, Affektiertheit, Boshaftigkeit, Selbstgefälligkeit und Unruhe mit einer winzigen, wenn überhaupt vorhandenen Beimischung von Wahnsinn. […] Die oben genannten, vorherrschenden Qualitäten zusammen mit Undankbarkeit, Grausamkeit und Lügerei, und der von mir nicht extra zu erwähnenden Redegewandtheit und Erfindungsgabe, formen die gesamte geistige Verfassung.”
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Jean-Jacques Rousseau
* 28.06.1712 in Genf
† 02.07.1778 in Ermenonville
gilt als einer der einflussreichsten Philosophen und Schriftsteller der Aufklärung. Seine Ideen gehören zu den ideologischen Grundlagen der Französischen Revolution.
und hatten großen Einfluss auf die Entwicklung von Philosophie, Politik, Pädagogik und Literatur.
Stationen seines Lebens
Im Unterschied zu allen anderen Autoren war und blieb Rousseau Autodidakt. Dies ermöglichte ihm eine Sicht auf unsere Kultur, die alle vertrauten Gewissheiten in Frage stellte. Er verachtete auch die Philosophen. Philosophen seien Zeitgenossen, die sich Watte in Ohren stecken, wenn unter ihrem Fenster jemand ermordet werden soll. Zudem findet er, dass, wenn jemand etwas Zutreffendes entdeckt habe, dies falsch sei, weil er es nicht selbst herausgefunden hat.
Sein Leben verlief extrem unstet. Er verließ seine Genfer Heimat, traf seine Ersatzmutter Madame de Warens, ging nach Turin, kam zu Madame de Warens zurück, ging nach Paris, wo er mit seiner Abhandlung über Wissenschaft und Kunst 1750 einen Preis gewann. Weil er Außenseiter sein wollte, entstanden Konflikte mit den Etablierten seiner Zeit, mit Diderot, mit Voltaire, mit David Hume, mit dem Erzbischof von Paris. Seine Feinde erklären ihn für tot. Er verlässt Frankreich und lebt für kurze Zeit in Großbritannien. Er verfasst seine Memoiren als Bekenntnisse. Er heiratet die Wäscherin Thérèse Levasseur, mit der er vier Kinder zeugte, die er sofort in einem Findelhaus abgab. Diese Praxis war zu jener Zeit nichts Ungewöhnliches.
Obwohl er nicht zu dem Klub der Intellektuellen seiner Zeit gehörte, besaß er Freunde aus den Reihen des Hochadels, die ihm zur Flucht aus Paris wegen seiner Schrift Emil über die Erziehung verhalfen. Am Ende seines Lebens verbringt er seine letzten sechs Wochen bei einem Verehrer, dem Grafen Girardin in Ermenonville. Er stirbt 1778 in Ermenonville an einem Schlaganfall. In diesem Jahr stirbt auch der achtzehn Jahre ältere Voltaire, der ihn anonym und heimtückisch mit erfundenen Fakten beleidigt hatte, ohne dass Rousseau seine Autorschaft aufdeckte.
Unter seinen Zeitgenossen gab es nur eine einzige Gestalt von Rang, der Rousseau Asyl in seinen Besitzungen im Raum Neufchâtel anbot. Es handelte um den ebenfalls mit Philosophie beschäftigten König Friedrich den Großen.
Sein Werk
Sein Werk beruht auf dem Versuch, folgende Frage zu beantworten: Warum haben die Menschen ihre einst glückliche Zeit verloren, und was lässt sich tun, um eine Selbstzerstörung des Menschen aufzuhalten?
Diese Frage beschäftigt Rousseau seit seiner preisgekrönten Schrift über die Wissenschaften und die Künste. Rousseau erzählt den zuerst bei Hesiod mythisch berichteten Weg der Menschen historisch nach. Denn dieser Weg ist eine Abstiegsgeschichte der Menschheit. Sie beginnt mit dem Goldenen Zeitalter. Jeder hatte genug für sich. Es bestand Frieden unter den Menschen und zwischen Menschen und Tieren. Dann setzte allmählich der Abstieg ein. Er führte zum Silbernen, dann zum bronzenen Zeitalter und endete mit dem Eisernen Zeitalter, in welchem die Menschen vom Raub lebten. Rousseau erzählt diesen Abstieg mit historischer Wahrscheinlichkeit nach. Er legt dar, dass vermutlich ein Vulkan eine Wendung herbeiführte. Weil der Vulkan Metalle ausspie, wollten die Menschen dies nachahmen und erfanden die Metallurgie. Damit die mit Metallurgie Beschäftigten ernährt werden mussten, entstand die Landwirtschaft, die wiederum metallische Geräte einsetzte. Mit der Landwirtschaft entstand der Eigentumsgedanke. Denn was man bearbeitet, sollte einem auch gehören. Seit jener Zeit gab es eine Herrschaft des Eigentums als Gesellschaft, die mehrheitlich aus Armen und einer Minderheit von Wohlhabenden besteht. Wie sieht diese Eigentumsgesellschaft aus? Als Usurpation der Reichen. Sie diktierten die Bestimmungen, welche das Menschengeschlecht der Arbeit, der Knechtschaft und dem Elend unterwarfen. Somit hat die Abstiegsgeschichte der Menschheit zwei Quellen: Zufälle (Vulkanausbruch) und der hinterhältige Betrug der Reichen an den Armen. Um diesen Betrug zu markieren, dachte sich Rousseau eine Formel eines Gesellschaftsvertrages aus, der lauten könnte. Der Reiche sprach zu den Besitzlosen: Ich braucht mich, denn ich bin reich und ihr seid arm; treffen wir eine Vereinbarung: Ich erlaube, dass ihr die Ehre habt, mir zu dienen, unter der Bedingung, dass ihr mir das wenige geben werdet, was euch bleibt, und dies für die Mühe, der ich mich unterziehen werde, um euch zu befehlen. Dieser Gesellschaftsvertrag hat zwei Ziele: dass die Armen dauerhaft verelenden und dass sie sich den Reichen unterwerfen. Der Betrug gab jedoch den Armen eine Vorstellung vom Gesetz, dass sie gleichberechtigte Teilnehmer einer Ordnung für alle seien. Der bisherige Staat stellte für Rousseau das genialste Betrugsmanöver dar, das bisher von Menschen ersonnen worden war. Gibt es Abhilfe? Rousseau publiziert 1762 seine Schrift Vom Gesellschaftsvertrag. Er legt zugrunde, dass nicht etwa Freiheit die Basis der Gesellschaft ist. Denn Freiheit war ja gerade die Grundlage dafür, dass gleiche Gesetze herrschen, deren Zweck es ist, ausschließlich die Wohlhabenden zu begünstigen. Folglich muss etwas anderes die Grundlage dafür sein, dass ein Volk ein Volk ist. Die ist die Gleichheit. Die Gleichheit ist dann gegeben, wenn alle sich einmütig unter das stellen, was alle wollen. Dies sei der unteilbare Wille aller, die volonté générale. Ist der Staat auf sie gegründet, so entfällt die Betrugsvertrag der Reichen. Doch da jede Regierung sich wiederum verselbständigt und eigenmächtig handelt, hat Rousseau diesen Versuch wieder aufgegeben, Mensch und Bürger miteinander zu verbinden.
Er wendet sich Fragen der Erziehung zu und konzipiert mit seinem Erziehungsroman Emil eine Entdeckung des Eigenrechtes der Kindheit. Das Kind hört auf, eine Reproduktion der Erwachsenenwelt zu sein. Dies wurde ihm verübelt. Der Roman wurde öffentlich verbrannt, und Rousseau musste aus Paris Richtung Neufchâtel fliehen. Er verfasst ebenso den Roman einer wechselseitigen Liebe mit Julie ou la Nouvelle Héloise. Diese enthält auch den Entwurf einer intakten Familie.
Bis heute am meisten hat Rousseau mit seinen Bekenntnissen gewirkt, ebenso mit seinem unvollendeten Werk Die Träumereien eines einsamen Spaziergängers. Beide sind eine unerschöpfliche Quelle von Selbstbeobachtung, Naturnähe und Gesellschaftskritik und bereiten die europäische Romantik vor. Rousseau entdeckt: Wer denkt, müsse existieren. Insoweit wird Descartes betätigt. Doch wer existiert, der müsse nicht auch denken.
Bis zu seinem Ende hat Rousseau das Goldene Zeitalter als privaten Innenraum wieder erschlossen. Doch der Niedergang der Gesamtkultur stand für ihn fest. Der Niedergang lasse sich zwar verzögern, doch aufhalten lasse er sich nicht.
Wirkungen Rousseaus
Rousseau war nicht allein Schriftsteller, sondern betätigte sich auch erfolgreich als Linguist und als Musiktheoretiker. Doch während er in dieser Hinsicht kaum wirkte, war sein Einfluss auf Politik, auf Erziehung, auf die Frauenbewegung in Frankreich und England und auf die Romantik extrem. Der britische Philosoph Lord Acton urteilte einmal zutreffend, Rousseau besitze mehr Einfluss als alle Philosophen zusammen.
Die Französische Revolution legte seine Schrift über den Gesellschaftsvertrag zugrunde. Während Rousseau sich von dieser Schrift verabschiedete, so kam von Saint-Just die Einschränkung des Allgemeinwillens auf Mehrheiten. Das aber läuft auf eine Teilung des Allgemeinwillens hinaus, die laut Rousseau sinnwidrig ist.
Rousseau wirkte stark auf Kant, auf Hegel, auf Goethe, auf die europäische Romantik, aber ebenso auf Marx. Für Marx war der zitierte Betrugsvertrag der Beweis, dass die bisherige Geschichte die Geschichte von gleichen Gesetzen bilden, mit denen die Reichen die Armen betrügen.
Werke
Originaltitel: “Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes”
Originaltitel: “Du contrat social ou Principes du droit politique”
Das politische Hauptwerk Rousseaus erschien 1762 in Amsterdam. In Frankreich blieb es lange verboten.
lesen bei Zeno
Originaltitel: “Émile ou De l’éducation”
Mit diesem 1762 veröffentlichten Werk leistet Rousseau einen wesentlichen theoretischen Beitrag zur Reform der Bildung.
lesen bei Zeno
Ehrungen
Seit mehr als anderthalb Jahrhunderten geht alles, was man in geistigerem Sinn unter Politik versteht, auf Jean Jacques Rousseau zurück: und er ist der Vater der Demokratie, indem er der Vater des politischen Geistes selbst, der politischen Menschlichkeit ist.
Thomas Mann
Kaum einer der Großen der Folgezeit, weder Herder noch Goethe, weder Kant noch die Philosophen des Deutschen Idealismus, weder Nietzsche noch Tolstoi wären ohne die Anregung durch Rousseau zu dem gekommen, was sie geleistet haben.
Wilhelm Weischedel
Er war ein kämpferischer Anwalt der Vernunft und huldigte zugleich den Gefühlen, was zur Folge hatte, dass die Nachwelt in ihm sowohl einen Aufklärer wie auch einen frühen Romantiker sehen konnte
Heinrich August Winkler
durch Rousseau geweckt, hat der menschliche Geist ein Werk vollendet, das ihr für die unmöglichste aller Unmöglichkeiten würdet erklärt haben, wenn ihr fähig gewesen wäret, die Idee desselben zu fassen
Johann Gottlieb Fichte
Aus Selbstbeobachtung und Wohlwollen glaubte der seinerzeit größte Kritiker der Zivilisation, der so wortgewaltig wie kein anderer die Strukturen ihrer Hoffnungslosigkeit und Unzufriedenheit beschrieb, sein ganzes Leben lang – so wie auch Anne Frank im dunkelsten Augenblick der modernen Geschichte – dass die menschliche Natur trotz allem im Grunde gut sei.
Robert Wokler
Ein kleines Rousseau-Quiz
Time's up
Bildnachweis
Statue am Louvre: Eutouring (CC BY-SA 4.0)
Statue als Teenager: Jpf991 (CC BY-SA 4.0)
Büste in Genf: Mourad Ben Abdallah (CC BY-SA 4.0)
Büste im Liebieghaus: Dguendel (CC BY 3.0 DEED)
alle anderen Abbildungen gemeinfrei (public domain)
Zitatnachweis
Johann Wolfgang Goethe: “Die Wahlverwandtschaften” (1809)
Friedrich Schiller: “Worte des Glaubens” in “Musenalmanach” (1798)
Thomas Mann: “Betrachtungen eines Unpolitischen” Frankfurt am Main: Fischer 1960
Wilhelm Weischedel: “Die philosophische Hintertreppe” München: dtv 1993
Heinrich August Winkler: “Geschichte des Westens” München: Beck 2010
Johann Gottlieb Fichte: “Schriften zur Revolution” Wiesbaden: Springer 1967
Robert Wokler: “Rousseau” Freiburg im Breisgau/Basel/Wien: Herder 1999