Unter den frühen Wissenschaftlern verdient der altgriechische Philosoph Aristoteles mehr als jeder andere die Bezeichnung „Universalgelehrter“. Seine Werke belegen ein größeres Ausmaß geistigen Strebens als die der anderen Naturforscher. Es gibt kaum eine andere Gestalt in der Geschichte, die die Fülle seines Erkennens und noch wichtiger – seines Forschens übertroffen hätte. Ob Ethik, Literatur, Zoologie, Logik, Psychologie, Meteorologie, Astronomie, Metaphysik oder Politik – alles beschäftigte seinen Geist. Als ebenso fruchtbarer wie wegweisender Autor schrieb er über diese und andere Wissensgebiete. Die dreißig erhalten gebliebenen Bücher sind wohl nur ein Bruchteil seines Schaffens.
Aristoteles wurde 384 v. Chr. in der makedonischen Stadt Stageira auf der thrakischen Halbinsel Chalkidike, nicht weit vom heutigen Thessaloniki im Norden Griechenlands, geboren. Nikomachos, sein Vater, war königlicher Arzt in Makedonien, starb aber früh. Mit 17 wurde er von seinem Vormund nach Athen auf die Akademie des großen Philosophen Platon geschickt, wo er zwanzig Jahre lang bis zu Platons Tod studierte. Aristoteles‘ Weltbild dürfte in dieser Zeit geprägt worden sein. Später entwickelte er Platons Vorstellungen weiter, stellte sie aber auch in Frage und lehnte einige davon entschieden ab. Der Einfluss des bedeutenden Lehrers auf sein Werk blieb jedoch nachhaltig bestehen.
Danach bereiste Aristoteles einige Jahre Kleinasien. Seine lebendigen Beschreibungen der Meerestiere entstanden gewiss aus eigenen Beobachtungen. 343 v. Chr. berief ihn der makedonische König Philipp II. zum Erzieher seines 13-jährigen Sohnes – es war der künftige Alexander der Große. Etliche Jahre darauf kehrte er nach Athen zurück und begründete seine eigene Schule im Peripatos des geheiligten Haines Lykeion, die bald wegen ihrer Bibliothek und ihres naturwissenschaftlichen Museums Berühmtheit erlangte. Hier studierte und lehrte Aristoteles 13 Jahre lang eine Reihe von Themen, die zum ersten Mal die Naturkunde mit den angesehenen traditionellen Wissenschaften wie Mathematik, Medizin oder Astronomie gleichstellten. Einer seiner Schüler war Theophrast, dessen Achtung vor Aristoteles‘ Methodik seine eigenen bahnbrechenden Beschreibungen der Pflanzenwelt beeinflusste. Theophrast wurde Arsitoteles‘ Nachfolger im Lykeion, als dieser sich 322 v. Chr. nach Chalkis auf Euböa zurückzog. Dort starb er wenig später mit 63 Jahren.
Text aus: Julia Brittain „Aristoteles“ in Robert Huxley (Hrsg.) „Die großen Naturforscher“ München: Frederking & Thaler 2007
Weitere interessante biographische Details bietet unser Exponat Vergiftet, versklavt, vertrieben – die Schicksale der Großen Drei in Athen.
Laut antiker Verzeichnisse umfasst das Werk des Aristoteles um die 200 Schriften. Überliefert ist nur ein Teil.
Das Organon umfasst sechs Schriften, die die aristotelische Logik systematisieren – etwa Kategorien, Analytica priora und Topik. Dieses Werk bildete die Grundlage der abendländischen Logik bis ins 19. Jahrhundert und beeinflusste die gesamte Wissenschaftstheorie.
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Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Die Metaphysik behandelt „das Seiende als Seiendes“ und die Grundprinzipien der Wirklichkeit. Aristoteles entwickelt hier die Substanzlehre, die Vier-Ursachen-Lehre und die Vorstellung des unbewegten Bewegers. Das Werk prägte die mittelalterliche und neuzeitliche Ontologie und wurde zur Basis für die Metaphysik in der Philosophiegeschichte.
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Lobenswerte Eigenschaften nennen wir Tugenden.
Dieses Werk widmet sich der Frage nach dem guten Leben und der Glückseligkeit (Eudaimonia). Es zählt zu den einflussreichsten ethischen Schriften der Weltgeschichte und wirkt bis in heutige Debatten der Moralphilosophie und praktischen Ethik hinein.
Es ist offensichtlich, dass der Staat ein Werk der Natur ist und der Mensch von Natur aus ein staatenbildendes Lebewesen
In der Politik untersucht Aristoteles den Menschen als „zoon politikon“, also als Gemeinschaftswesen. Er analysiert verschiedene Verfassungen und entwickelt die Idee des „guten Staates“, in dem das Wohl aller Bürger im Vordergrund steht. Das Werk wurde für die politische Theorie der Antike und später für das Naturrecht und die moderne Demokratietheorie wegweisend.
G.W.F. Hegel
Charles Darwin
Nach Aristoteles sind ein Mondkrater und der Asteroid (6123) benannt.
Bildnachweis
Statue Chalkidiki: Wilhelmy (CC BY-SA 4.0)
Statue Freiburg: Martin aka Maha (CC BY-SA 2.0)
Denkmal in Ceuta: CarlosVdeHabsburgo (CC BY-SA 4.0)
Büste im Louvre: Eric Gaba (CC BY-SA 2.5)
Zitatnachweis
G.W.F. Hegel „Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie“
Charles Darwin, zit. nach Julia Brittain „Aristoteles“ in Robert Huxley (Hrsg.) „Die großen Naturforscher“ München: Frederking & Thaler 2007